Predigtnachlese

Die eigene Schuld zu erkennen und sie einzuordnen, ist eine tatsächlich eine Leistung. Das ist heute so schwer, wie zu Zeiten Jesu. Und wie geht Jesus damit um? Er lässt sich vor allem einmal zu nichts provozieren. Er ergreift nicht einseitig Partei. Er versucht noch nicht einmal zu schlichten. Er lenkt den Blick der Pharisäer auf sie selbst und auf ihre eigene Schuld zurück. Wir sollten bei uns selbst anfangen. Dann stimmt die Richtung. Von dort aus können wir auch mit der Schuld der anderen umgehen und sie einordnen.

Was ich aber darüber hinaus bemerkenswert finde: Jesus gibt allen Beteiligten Zeit, einmal nach zu denken. Er malt mit dem Finger auf dem Boden und sagt gar nichts. Das nimmt den Druck raus. Das stoppt den Shitstorm. Das eröffnet allen Raum und Zeit zu sich selbst zu kommen. Das ändert, das weitet die Situation. Alle Beteiligten bekommen eine Perspektive aufgezeigt, mit der sie in Versöhnung weiterleben können.

Und das macht den neuen Anfang möglich. Wenn wir unsere eigene Schuld erkennen, können wir auch akzeptieren, dass wir alle – wirklich alle – auf Vergebung angewiesen sind. Und auch das wird uns klar: Gottes Barmherzigkeit meint immer uns ganz persönlich! Sie spricht uns an und fordert uns zur Stellungnahme. Sie ist kein billiges Entschuldigen. Sie fordert meine Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit. Aber: sie gibt uns schlussendlich unsere Würde zurück.

Wir können in dieser Fastenzeit und in diesem Heiligen Jahr der Barmherzigkeit entscheidende Schritte in Richtung eines neuen Schuldverständnisses tun, wenn wir uns bewusst mit dem Thema der Schuld auseinander setzen, wenn wir still werden, uns Zeit nehmen und nach Formen suchen, im Umgang mit unserer Schuld und unserem Versagen.

Bitten wir Gott, dass er uns dazu den Mut und die richtigen Begleiterinnen und Begleiter schenkt.

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